Kommentar zur Münchener Friedenskonferenz



In München ist grad Shitstorm über der örtlichen DFG-VK. Auf der Münchener Friedenskonferenz sollte ein Stadtrat ein Grußwort der Stadt München vortragen. Er wurde [Edit 16.01.20: unter anderem] ausgeladen, weil er sich gegen die antisemitische BDS-Kampagne engagiert. Unser Kommentar dazu:

Die Münchener Friedenskonferenz
Parallel zur sogenannten „Münchener Sicherheitskonferenz“, einer Militär-Lobby-Veranstaltung, organisiert die DFG-VK zusammen mit einem breiten Bündnis die Münchener „Friedenskonferenz“. Der DFG-VK ist es dort gelungen, Gewerkschaften, Professor*innen, Kirchliche Organisator*innen, den Kreisjugendring und Umweltverbände zur Unterstützung einer Veranstaltung aus der Friedensbewegung zu motivieren.

Breite Unterstützung
Darüber hinaus ist es gelungen, die Münchener SPD, die in der Stadt das Sagen hat, ebenfalls zur Unterstützung zu bewegen. Das geschieht praktisch mittels der Überlassung von Räumen und eines Grußwortes der Stadtregierung (ob das sinnvoll ist, sich von einer Kriegspartei wie der SPD seinen Segen abzuholen, sei mal dahingestellt). In diesem Jahr hat der Bürgermeister keine Zeit, deshalb schickt die Stadt als Vertreter einen Stadtrat. Und da geht der Ärger los.

Wer hält das Grußwort?
Denn der OB schickt den Herrn Offman. Der hat angeschoben, dass die Stadt München eine Resolution verabschiedet, die die in der Stadt aktive BDS-Kampagne (boycott devestment sanctions) als antisemitisch verurteilt und es der Stadtverwaltung verbietet, diese Kampagne z.B. mit Räumen oder Geld zu unterstützen.

Die Ausladung?
Daraufhin hat laut der Süddeutschen Zeitung der Geschäftsführer der DFG-VK Bayern im Namen des Träger*innenkreises der Friedenskonferenz ohne Rücksprache mit den anderen beteiligten Organisationen den Stadtrat ausgeladen. Die Abendzeitung stellt es etwas anders dar: „Meiner Meinung nach waren wir zu diesem Zeitpunkt in einem Abklärungsgespräch“, sagt der Vertreter der DFG-VK (Name entfernt, amab). Er habe der Stadt gesagt, Offman als Ex-CSUler sei den Friedensaktivisten bei Rüstung, Militär und Atomwaffen politisch nicht nahe genug, zudem habe er sich wiederholt zur BDS-Kampagne, die zu Boykottaktionen gegen Israel aufruft, kritisch geäußert. „Wir haben befürchtet, dass Offman das zum Thema macht und unsere Veranstaltung durch Zwischenrufe und Tumulte gestört und Herr Offman beleidigt wird“.

Statement des Bürgermeisters
Dazu sagt OB Dieter Reiter der Abendzeitung: „Herr Offman sollte in meiner Vertretung das Grußwort überbringen. Gelinde gesagt empfinde ich es als Affront gegenüber der Stadt, wenn der städtische Vertreter, wie jetzt geschehen, als Redner abgelehnt wird.“ Und: Offman fühlt sich „als jemand, der jüdisch ist, ausgegrenzt“.

Sind wir nah an der SPD?
Die Erklärung hat also zwei Teile: 1. Stadtrat Offman war mal bei der CSU und das sei inhaltlich nicht nah genug an der Politik der Friedensbewegung. Aber ist das bei der SPD, die netterweise auch das Alte Rathaus zur Verfügung stellt, irgendwie anders? Oder hat die SPD in München jemals was gegen Gentrifizierung gemacht? Wie war das mit der Stadtpolizei und den Obdachlosen? Woher kommt die Videoüberwachung in München?

In die Mitte der Gesellschaft?
Die DFG-VK Bayern würde jetzt vermutlich richtigerweise kontern, dass linke Politik in die Mitte der Gesellschaft müsse, und man deshalb nicht so Scheuklappen haben dürfe. Das stimmt, aber dann muss man auch damit leben, wenn die Stadträte dieser Welt bei einem Grußworte halten. Und die Stadträte dieser Welt müssen damit leben, wenn das nicht alle gut finden.

Keine Unterstützung der BDS-Kampagne
Der zweite Teil dürfte der wichtigere sein. Stadtrat Offman ist der Ansicht, das man die BDS-Kampagne nicht unterstützen sollte. Womit er in unseren Augen völlig recht hat: Eine Kampagne , deren Kernaussage sich mit „Kauft-nicht-bei-Israelis“ wiedergeben lässt, sollte man sich sehr genau anschauen. Im Boykott-Aufruf von 2005 sowie in Äußerungen führender Vertreter der Kampagne finden sich nicht nur Vergleiche der Politik Israels mit dem Holocaust, sondern auch Passagen, die das Existenzrecht Israels explizit verneinen.

Existenzrecht für Israel?
Das „Münchner Bündnis für das Recht auf freie Meinungsäußerung“, in der sich die in München die BDS-Kampagne unterstützenden Gruppen zusammen geschlossen haben, erklärt dazu: „keine der durch diesen Antrag maßgeblich betroffenen Gruppen stelle das Existenzrecht Israels in Frage“. Wie dünn die Ausrede ist, zeigt ein genauer Blick: Wenn ich das Existenzrecht Israels nicht ablehne, warum mache ich dann Politik mit Leuten, die es super finden, bei der nächsten Gelegenheit alle Leute, die sie als Juden identifizieren, ins Mittelmeer zu werfen? Warum gehe ich mit solchen Leuten auf Demos? Warum unterstütze ich deren Kampagnen? Solange man darauf keine sinnvolle Antwort findet, muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man sich mit einer Unterstützung der BDS-Kampagne mit Antisemit*innen ins selbe Boot setzt.

[Edit 16.01.20]: Mittlerweile hat sich auch das erwähnte DFG-VK-Mitglied und Mitorganisator der Friedenskonferenz aus München zum Thema geäußert. Lest selbst.

[Edit 17.01.20: Der folgende Absatz ist bei uns in der amab umstritten – vornehmlich, weil es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob mensch das Ramstein-Fass hier aufmachen sollte… Und auch die Formulierung „Ausladung“ scheint sich mittlerweile als „Abspracheprozess“ darzustellen].

Mit allen reden?
Allerdings hat es einen schalen Beigeschmack. Bei verbandsinternen Debatten fordern die Leute aus München regelmäßig ein Engagement bei der „Stopp-Ramstein“-Kampagne. Dort werden regelmäßig rechtsoffene Positionen vertreten und in der Vergangenheit wurden auf Demos sogar Nazis toleriert. Das Argument ist, dass man alle hören und mit allen reden müsse. Aber ausgerechnet ein sich zum Judentum bekennender Stadtrat wird jetzt ausgeladen?

Und hinter die Zwischenüberschrift „Die Ausladung“ haben wir ein Fragezeichen gemacht.

Mehr:
Was ist das Problem mit BDS?

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