Reiner Braun oder Was ist rechtsoffen?

Reiner Braun und seine Kampage „Stopp Ramstein“ haben auch in der DFG-VK viele Fans. Trotz offenkundiger Evidenz verschließen die Reiner-Fans die Augen davor, dass dieser aktiv Faschist*innen in die Friedensbewegung integriert. Wir haben uns die Mühe gemacht, auf Youtube jede Menge Reden von Reiner anzuschauen. Dabei stießen wir auf immer dasselbe Muster. In bester Trump-Manier marginalisiert er die Vorwürfe, bringt ein scheinbar deutliches Statement der Distanzierung von Faschismus, nur um dann im nächsten Satz Revanchist*innen und Antisemit*innen einzuladen. Und die Leute klatschen… Ein paar Beispiele.

Die Friedensbewegung hat eine breite offene Flanke nach rechts. Sichtbarstes Zeichen davon sind die Aktivitäten von Reiner Braun bei der Kampagne „Stopp Ramstein“. Reiner Braun versuchte 2014/15 aktiv, die rechten Querdenker*innen von den Wahnmachen gegen den Ukraine-Krieg, bei der NPDler und AFDler zentrale Rollen hatten, mit der Kampagne „Friedenswinter“ in die Friedenserstarrung zu integrieren. Als Dankeschön verpassten ihn die rechten Wahnwichtel den „Bautzerner Friedenspreis“. Braun sieht bis heute keinen Grund, sich von den auch an Hardcore-Neonazis vergebenen Preis zu distanzieren. Nachdem der Friedenswinter nicht den gewünschten Erfolg hatte, geschah die Integration der Wahnwichtel 2016 in der Kampagne „Stopp Ramstein“.

Volksbewegung?
Warum tut Reiner Braun das? In einen Video von einer Aktionskonferenz im November 2016 gibt er die Antwort (5:48- 7:11): Warum tut Reiner Braun das? In einem Video einer Aktionskonferenz im November 2016 gibt er die Antwort: „Wir müssen noch viel mehr nach draußen gehen. Zu den Menschen. Ich glaube immer noch, dass wir zu stark nach innen gerichtet sind (…) Und wenn wir das nicht verändern, können wir keine große — jetzt benutz ich mal das — Volksbewegung werden. Das kann man nur, wenn man bei den Menschen ist (…) Und da werden wir auch manchmal dahin gehen müssen, wo es weh tut (…). Wir werden auch um Auseinandersetzung mit Argumenten, in die rechtsradikales Gedankengut einfließt nicht drumherum kommen. Diese große gesellschaftliche Auseinandersetzung werden wir führen müssen. (…) Ramstein-Vorbereitung ist für mich auch, die gesellschaftliche Debatte um Krieg und Frieden zu führen.“

Revanchist als Hauptredner, Nazis im Musikprogramm
Wie sah die Reiners Volksbewegung praktisch aus? Teilnehmende kritisierten bereits 2016 die Teilnahme von rechten Verschwörungs-Abzockern wie Daniele Ganser, die Auftritte rechter Rapper wie die Bandbreite oder Kylez More und die Kooperation mit Ken Jebsen.

https://www.naturfreunde-berlin.de/diskussionspapier-kampagne-stopp-airbase-ramstein-2017-licht-schatten

https://www.oekumenisches-netz.de/2021/07/aktuelle-kritik-an-der-kampagne-stopp-airbase-ramstein/

http://www.krieg-beginnt-hier.de/attachments/article/77/ZC-0516-DEBATTE-Pflueger.pdf

Vordergründige Distanzierungen
Reiner Braun tut die Vorwürfe immer nach dem gleichen Muster ab. Seine Predigt zur Eröffnung einer im Dezember 2016 stattfindenden Aktionskonferenz für Ramstein 2017 zeigt sehr deutlich, wie er dabei vorgeht. Beim Stopp Ramstein im Jahr davor war der antisemitsiche Verschwörungsprediger Daniele Ganser eine der Hauptredner*innen. Er lieferte wie erwartbar bereits in der Einleitung rechten Revisionismus: „Deutschland wird immer niedergedrückt mit dem Stichwort „Hitler – Nationalsozialismus“. Das ist eine psychologische Kriegsführung, die sie schon seit vielen Jahren erleiden. Jeden Abend um 10:00 Uhr: Hitler Waffensystem so, die Schergen so, alles, immer, das läuft immer. Und das ist ein Trick, um sie runterzubügeln. Und dann sage ich, man müsste eigentlich diese Verbindung „Deutschland – Hitler“, die müsste man kappen und man müsste machen „Deutschland – Goethe“…“ (Quelle).

Bereits in der Einleitung seiner Rede zum Auftakt der erwähnten Aktionskonferenz kündigt Reiner Braun an, dazu Stellung nehmen zu wollen, dass sein Laden Nazis aktiv integriere. Später (ab Minute 11:30- 15:00) geht er auf die Kritik an Hauptredner*in Daniele Ganser ein und positioniert sich scheinbar zunächst sehr deutlich:

„(…) Ich habe schon gesagt, dass ich die Ausführungen von Daniele Ganser (…) nicht für glücklich gehalten habe. Für uns — für mich wird es niemals ein Vergessen geben für die Verbrechen und Schandtaten des deutschen Faschismus und ich werde das immer wieder thematisieren.“ Er erntet sowohl Applaus und als auch Widerspruch aus dem Publikum, bügelt diesen jedoch ab. „Und ich werde immer formulieren, dass es Lehren daraus gibt, die man formulieren muss. Daniele hat (…) was gesagt, das man kontrovers interpretieren kann (…) Über diese Kontroverse muss man zwischen uns solidarisch diskutieren.“

Hintergründige Kooperationsangebote
Braun erntet für diese Ansage sowohl Applaus und als auch Widerspruch aus dem Publikum, bügelt diesen jedoch ab. „Und ich werde immer formulieren, dass es Lehren daraus gibt, wie man formulieren muss. „Daniele hat (…) was gesagt, dass man kontrovers diskutieren kann (…) Über diese Kontroverse muss man solidarisch diskutieren.“

Bitte was? Nicht glücklich formuliert? Hätte Ganser den revisionistischen Müll eleganter ausdrücken sollen? Die Lehre aus dem historischen Faschismus ist, dass man revisionistischen Dreck vorsichtig formulieren muss? Und was ist bitte an Revisionismus kontrovers? Und warum sollte man Revisionismus solidarisch diskutieren?

Doch es geht noch weiter: „Manche haben diesen Boden der Solidarität von Anfang an verlassen, weil sie Daniele Ganser missbraucht haben zur Diffamierung von Ramstein! Und das weise ich an dieser Stelle nochmal entschieden zurück: Es geht nicht um Rechtslastigkeit, dass hat mit Rechtslastigkeit nichts zu tun!“ (12:30-12:48)

Come on Reiner: Revanchismus kontrovers und solidarisch diskutieren zu wollen, ist ne ganz schön offene Flanke nach rechts. Da muss man nix missbrauchen, um dich und all die Leute, die zu so einem Quatsch die Klappe halten, zu kritisieren.

Doch es kommt noch schlimmer. Denn in den folgenden Sätzen solidarisiert sich Braun offen mit dem Antisemiten Ken Jebsen und verurteilt Proteste gegen seinen Antisemitismus. Zum Kontext: 2017 wollte das antisemitische Blatt „Neue Rheinische Zeitung“ dem Antisemiten Ken Jebsen einen Preis in Berlin überreichen. Nach Protesten nahm der Kultursenat die Zusage für das als Veranstaltungsort geplante Kino Babylon zurück. Auf diese Geschichte spielt Braun im nächsten Teil an. „Und ich habe mich mehr als gefreut, als ich die Pressemitteilung über das Urteil des Gerichtes für die Aktion im Babylon erfahren hab.“ Und dann lobt er seinen Einsatz für die Preisverleihung an Ken Jebsen.

Gesellschaftliche Debatte?
Sieht so die gesellschaftliche Debatte aus, die Reiner Braun sich wünscht? Und wo sind bitte die Argumente, mit denen er dem rechtsradikal „eingeflossenes“ Gedankengut doch begegnen wollte? Es gibt sie einfach nicht. Völlig unkritisch bindet er Faschisten ein und gibt ihnen ein Podium und bei Kritik sagt er in bester Trump-Manier: „Das hat mit Rechslastigkeit nichts zu tun.“ (12:48) Statt rechtes Gedankengut mit Argumenten zu bekämpfen, freut er sich darüber, dass antisemitische Verschwörungsspinner eine rechte Schwurbelparty in einem städtischen Gebäude feiern dürfen.

„Es geht nicht um Abgrenzung!“
Nachdem die Teilnahmezahlen bei Stopp Ramstein in den folgenden Jahren glücklicherweise zurück gingen, wird das Werben um die Rechten noch deutlicher. So z.B. in der Eröffnungsrede zur Aktionskonferenz für das Jahr 2019.

Nachdem Reiner Braun verkündet, auf „Antideutsche“ (10:30) keine Lust zu haben, sagt er (11:00): „Ansonsten ist mein Plädoyer für diesen Herbst: Macht auf die Herzen! Lasst uns auf viele zugehen! Ich glaube wir haben Chancen, viele zu gewinnen. Vor allem in der Situation eines Aufschwungs von sozialen Bewegungen. (…) Wir haben aber auch deutlich einige verloren, weil sie unsere klare Aussage zur AfD und—zu der Kriegspartei AfD—“ (Unruhe) „Es geht mir nicht um eine Abgrenzung!“ (ab 12:30)

Danach fängt er den Faden wieder und erklärt, warum die AfD eine Kriegspartei ist. Dann sagt er: „Es ist die klare Positionierung zur AfD nicht die Frage von Ausgrenzung, sondern ne Frage, dass wir für Krieg und gegen Krieg sind.“ (13.30) Und dann kommt der Hammer, Reiner wirbt offen um AfD-Mitglieder: „Was wiederum nicht heißt, dass AfD-Mitglieder, die eine Friedensposition haben, sich nicht an unseren Aktionen beteiligen können.“ Noch Fragen, warum euch alle für rechtsoffen halten, Reiner?

Die Textbeispiele dürften deutlich zeigen, wie die Masche funktioniert. Hinter eindeutigen Aussagen zur deutschen Geschichte folgen Relativierungen („kontrovers“), Verharmlosungen („solidarisch diskutieren“) und am Ende offene Einladungen an die rechte Szene, sich zu beteiligen. Wenn diese das dann tut, findet nicht die von Reiner angeblich geforderte „Auseinandersetzung mit Argumenten, in die rechtsradikales Gedankengut einfließt“. Statt dessen wird diesen ein Podium gegeben und das rechtsradikale Gedankengut findet einen Platz in der Friedenserstarrung.

Reiner Braun auf Corona-Demos?
Wie weit Reiner braun bereit ist zu gehen, zeigt ein Post auf der Facebook-Seite von Peter Juriens. Peter Jurins ist wichtig bei Stopp Ramstein, in allen oben gezeigten Videos ist er an prominenter Stelle zu sehen. Peter Juriens behauptet, dass Reiner Braun an der Corona-Schwurbel-Demo, die zum „Reichstagsstürmchen“ geführt hat, teilgenommen habe. Weiter verkündet er: „Aufgrund galoppierender Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Berliner Büros und des Koordinierungskreises der Kampagne #StoppRamstein die Distanz zu Rechtsextremen zu behalten, diverser Unwahrheiten und der Hintertreibung antifaschistischer Gegenwehr der Kampagne verlasse ich mit sofortiger Wirkung die Kampagne und empfehle das auch jeder und jedem die durch mich dazu gestoßen sind.“

Fazit
Die Friedensbewegung in Deutschland war nie ein emanzipatorisches Projekt. Die alten Organisationen der Friedensbewegung im 19. Jahrhundert waren zutiefst bürgerliche Veranstaltungen, die vor bürgerlicher Ideologie nur so trieften. Die Deutsche Friedensgesellschaft der Zwischenkriegszeit war eine de facto eine Veteranen-Organisation (auch die heute gerne hochgehaltenden damaligen „Schmuddelkinder“ Tucholsky und Ossietzky waren Überlebende des Krieges). In der Nachkriegszeit spielten nationalistische Motive bei den Protesten gegen die Wiederbewaffnung eine große Rolle. In der Nachrüstungsdebatte verzichtete die Friedensbewegung aus politischem Kalkül darauf, sich im Krefelder Appell von diesem Erbe zu verabschieden. Und so wabern nationalistische Ideologien bis heute durch die Friedensbewegung. Es wäre völlig falsch, vor lauter Regenbogen-Fahnen und guten Vipes die Augen vor dieser Tatsache zu verschließen.

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