Hört mit der sexistischen Scheiße auf!

Am Dienstag, den 15.03.22 waren wir mit der DFG-VK Geld werfen auf Bundis am Bundeswehrladen. Nach der Aktion am Bundeswehrladen waren wir Frühstücken. Dabei kam raus, dass aus der amab alle teilnehmenden Personen, die von einem älteren Herren als junge Frauen gelesen wurden, dumme sexistische Sprüche abbekommen hatten. Deshalb haben wir von der amab beschlossen, dass wir das Problem mit Sexismus ansprechen wollen. Da wir denken, dass Sexismus kein Problem von Einzelpersonen ist, die sich irgendwie daneben benehmen, sondern Teil der Verbandskultur ist, richten wir uns mit dem Text an euch alle. Wir fordern euch auf, in euch zu gehen, und euch zu fragen, ob ihr alle Mitglieder gleichermaßen als politische Akteur*innen seht und adressiert.

Was ist passiert?

Während der Geldwerf-Aktion wurde von einem älteren Herrn mehrere von ihm als junge Frauen gelesene Personen damit begrüßt, wie „hübsch“ die betroffenen Personen seien. Wir wissen, ihr meint das nett und ihr freut euch, dass nicht nur alte weiße Männer bei euren Aktionen mitmachen. Aber fragt euch mal ehrlich selbstkritisch, ob ihr bei den jungen Dudes von der amab auch sofort an deren Aussehen denkt und ob ihr die entsprechend begrüßt. Aus unserer empirischen Erfahrung mit euch können wir das verneinen. Warum ist Aussehen in eurem Denken dann bei jungen FLINTA-Personen (Häh? was heißt Flinta? https://missy-magazine.de/blog/2020/12/07/hae-was-heisst-denn-flint/ ) eine derart relevante Kategorie, dass das gleich aus euch rausblubbert? Genau: Das ist Sexismus.

Leider nichts ungewöhnliches

Der Vorfall bei der Geldschmeiß-Aktion ist in der DFG-VK leider nichts außergewöhnliches und Urteile über das Aussehen von FLINTA-Personen sind nicht das Einzige, wodurch FLINTA-Personen als politische Akteur*innen diskreditiert werden. Vor drei Wochen gab es bei einer anderen Aktion schon ganz ähnliche Kommentare. Bei der Aktion für den Stopp der mittlerweile als Invasionsvorbereitung entpuppten russischen Manöver wurde eine FLINTA-Person als „Kleene“ (Slang für ‚Kleine‘) bezeichnet. Beim Bundesausschuss-Treffen am 20.03.2022 wurde ein politischer Konflikt zwischen zwei FLINTA-Personen von einem älteren cis-Dude als „Zickenkrieg“ diffamiert (als ob nicht Dudes im Verband sich ständig Ego-Fights um Macht, Einfluss und Prestige im Verband liefern würden…). Die Liste ließe sich fortsetzen.

Objektivierung

Ihr reduziert mit eurem Verhalten eure FLINTA-Verbündeten auf ihr Aussehen und objektiviert die Personen damit krass. Auch wenn ihr die ekeligen Sprüche eigentlich gut meint: Benevolenter Sexismus ist krass uncool. (Hä? Was ist benevolenter Sexismus? https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/178674/subtile-erscheinungsformen-von-sexismus/ ). Alle, die bei so einer Aktion mitmachen, machen das aus politischer Motivation. Zwischen cis-Männern scheint in der DFG-VK im Verhalten zueinander darüber auch Einigkeit zu herrschen. Oder ist da das Aussehen wichtig? FLINTA-Personen werden hingegen regelmäßig so behandelt, als seien sie da, um hübsch auszusehen. Und das ist krass daneben.

Nicht das erste Mal

Und tut bitte nicht so, als ob ihr das alles zum ersten Mal hört. Lena Sachs hat euch dasselbe schon 2017 in Berlin beim Geburtstags-Buko viel zu nett ins Gesicht gesagt. Damals in ihrer Festrede hat sie gesagt, dass ihr „sehr negativ“ aufgefallen ist, dass die DFG-VK sehr männerdominiert ist. Sie sagte, dass dies ein Grund dafür sei, warum sie trotz Mitgliedschaft Distanz zum Verband wahre und lieber anderweitig aktiv sei. Und sie hat eine „formelle oder informelle Machtabgabe“ und Rücktritte derjenigen Typen gefordert, die schon seit Ewigkeiten Posten innehaben. In ihrem anschließenden Text „Kritische Bemerkungen einer jungen Frau in einer von alten Männern dominierten Organisation“ in der Zivilcourage (Zivilcourage 1/2017) konnten sogar alle von euch, die den Schuss nicht gehört hatten, das schwarz auf weiß nachlesen. Der Großteil der Typen, die damals in den wichtigen Ämtern saßen, sitzt da heute noch. Die Rücktritte sind nicht passiert. Kein Wunder, dass Lena nicht mehr aktiv mitmacht: Denkt mal drüber nach, ob ihr sie nicht vergrault habt. Das wäre kein Einzelfall: Zwei Personen, die bei der Geldwerf-Aktion nen benevolent-sexistischen Spruch abbekommen haben, haben uns ziemlich klar signalisiert, dass sie auf DFG-VK-Aktionen für’s erste keinen Bock mehr haben.

Sexismus gibts in allen Altersgruppen

Uns ist dabei klar, dass sexistisches Verhalten von Typen quer durch alle Altersgruppen praktiziert wird, also nicht nur von älteren Verbandsmitgliedern. Die Häufung von solchen Vorfällen bei Verbandsaktionen in letzter Zeit war aber deutlich bei älterem Personal zu beobachten. Das soll keinen Generalverdacht gegenüber den Alten begründen, noch ist es ein Persilschein für die jüngeren Typen.

Und wir?

An dieser Stelle müssen wir deshalb auch ne Selbstkritik äußern. Denn wie die Beispiele und auch Lenas Text zeigen, ist das Problem nicht neu. Aber es fällt uns nicht so auf, weil wir meistens für die Aktionen der DFG-VK lediglich Typen mobilisiert bekommen. Typischer Mechanismus also: Wenn man nicht betroffen ist, vergisst man Sexismus ständig… Deswegen haben wir leider in der Vergangenheit das Thema Sexismus bei Aktionsvorbereitungen und Verbandsaktivitäten häufig vernachlässigt. Das wollen wir jetzt versuchen zu ändern:

– Wir weisen in allen Aktionsankündigungen in Zukunft darauf hin, dass die Leute, die mitmachen, sich in einem von cis-Dudes dominierten Raum bewegen.

– Wir haben beschlossen, jetzt bei sexistischen Sprüchen etc. zu versuchen, konsequent die Klappe aufzumachen. Wir wollen jegliche Skandalisierung und Eskalation bei sexistischem Verhalten unterstützen und voran treiben.

– Wir cis-Dudes versichern FLINTAs unsere Solidrarität. Wir unterstützen das Aufdecken und Thematisieren sexistischer Verhaltensweisen. Es soll gerne Streit und Ärger um das Thema Sexismus geben und Betroffene dürfen gerne einen Aufstand machen. Wir werden versuchen, dabei hilfreich zu sein.

– Wir sprechen vor den Aktionen gemeinsam mögliche Szenarien und Handlungsmöglichkeiten durch. Das mit kurz vor der Aktion auftauchen gibts nicht mehr. Entweder man beteiligt sich an Absprachen, oder man nimmt nicht mit uns teil. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir für mehr Personal in Zukunft längere Vorlaufzeiten für angemessene Briefings, eben auch zum Thema männliche Dominanzkultur in der DFG-VK, brauchen. Mal eben bis übermorgen acht Leute ranschaffen wird es mit uns vermutlich nicht mehr geben.

– Wir setzen durch, dass es bei U35-Treffen Awareness-Arbeit gibt.

Werbeagentur statt Selbstkritik, na toll

Wir möchten auch eine Debatte vom letzten Bundesausschuss-Treffen aufgreifen: Wie kommen wir an neue junge Mitglieder? Es gab da neben allgemeiner Ratlosigkeit so kreative und phantasievolle Vorschläge wie eine Werbeagentur ranzuholen, um die jungen Leute besser zu erreichen. Unsere Erfahrung ist, dass es nicht besonders schwer ist, junge Leute für Aktionen gegen Krieg und Militär zu begeistern. Ganz anders sieht es dabei aus, die Leute zu einem Beitritt zur DFG-VK zu bewegen. Wenn das Image des sexistischen Altherrenverbands sich beim ersten Kontakt auf Aktionen direkt bestätigt, suchen sich Leute verständlicherweise halt lieber was anderes. Wir würden uns freuen, wenn auch ihr euch als Verbündete von FLINTA-Personen begreift und alle dabei mitmachen würdet.

auf Krawall gebürstet,

Die Antimilitaristische Aktion Berlin (amab)

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P.S.:

Was kannst Du gegen Sexismus tun?

Falls ihr jetzt überfordert aus der Wäsche guckt, eigentlich findet, dass das Thema Sexismus wichtig ist, aber ihr leider nicht wisst, wo ihr anfangen könnt, haben wir ein paar Tipps zusammen getragen.

– Reflektiert euch. Geht mal bitte in euch und überlegt, was ihr so an sexistischen Denkmustern verinnerlicht habt. Und wo sich das äußert. Und wenn das dann das nächste Mal aus euch rauszublubbern droht, haltet einfach die Klappe. Das wäre ein guter erster Schritt. Und redet hinterher mit euren Dude-Kumpels drüber. Macht bitte kein Fishing for compliments bei FLINTAs. Die Chance, dass ihr von 10 dummen Sprüchen nur einen verkniffen habt und eure Inszenierung unfreiwillig peinlich ist, ist recht hoch.

– Besorgt euch Theorie-Updates zu Sexismus. Am besten noch vor dem Buko. Lest was in der Gruppe gemeinsam. Zum Beispiel das hier: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/178674/subtile-erscheinungsformen-von-sexismus/

– Macht mit euren Dude-Kumpels ne Veranstaltung zum Thema. Ruhig was niedrigschwellisges a la „Was ist Sexismus?“. Denn das Theorie-Niveau dazu ist bei uns im Verband nicht besonders hoch… Falls ihr dazu keine Lust oder Kapaziäten habt, denkt mal über eure Prioritätensetzung nach. Und dann schaut mal bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in den Terminkalender: Dank der Seuche sind ja jetzt regelmäßug online-VAs…

– Wenn ihr euch sexistisch verhaltet: Entschuldigt euch. Auch hinterher. Auch noch später. Ist immer noch besser, als nichts zu tun. Und ihr signalisiert der betroffenen Person damit Problembewusstsein, und dass es zumindest ne Chance gibt, dass ihr die Person so schell nicht wieder mit Sexismus behelligt.

– Wenn ihr sexistisches Verhalten mitbekommt: Interveniert, sprecht es an, fahrt sexistischen Sprüchen über den Mund!

– Wenn ihr das Intervenieren vermasselt: Sprecht es hinterher an.

– Wenn ihr unsicher seit, was ihr tun sollt: Sprecht die Betroffenen an und fragt sie einfach. Das muss euch nicht peinlich sein, niemand fällt als perfekter Antisexist vom Himmel. Und Emanzipation ist work in progress.

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