Bericht vom BuKo 2022 in Duisburg

Der Bundeskongress 2022 der DFG-VK in Duisburg: Wir waren dabei. Auf dem Programm standen die Verleihung des Ludwig-Baumann-Preis, eine Rede von Maurice Conrad (Fridays for future), 3%-Punkte weniger Anteil an der Kohle für Basisgruppen, „Rasse“ aus der Satzung streichen und zum ersten Mal seit Langem ist wer aus Berlin im BSK: Das war der Buko 2022. Wer es genauer wissen will, findet in diesem Bericht mehr Infos.

Was ist der Buko?
Der Bundeskongress der DFG-VK findet (wenn nicht grad ne Pandemie ist) alle zwei Jahre statt und ist das höchste Gremium des Verbandes (hier unser Bericht von vor drei Jahren in Frankfurt/Main). Zum Buko kommen so 80-100 Delegierte aus den Basisgruppen, den AGs und den Landesverbänden. Der Buko fand dieses Jahr in Duisburg statt. Das ist sehr weit hinterm S-Bahnring noch hinter Brandenburg kurz vor den Niederlanden in Nordrhein-Westfalen. Wir sind da am Freitag, den 20.5. zu viert hingefahren. Das hier ist unser inoffieller Bericht, den offiziellen Bericht des Verbandes gibt es hier:
https://dfg-vk.de/friedenskongress-in-kriegerischen-zeiten/#/

Freitag

Der Bundeskongress begann, nachdem man die Formalien abgehakt hatte, mit der Verleihung des Ludwig-Baumann-Preises des Carl-von-Ossietzky-Solidaritätsfonds (wir dachten, es geht gleich mit dem Festakt los und fielen unangenehm auf, weil wir schon mit Hopfensmoothies und Feierlaune ausgestattet auftauchten…).

Unterhaltsam moderiert von Kathi konnten nach einem spannenden Redebeitrag zum Leben und Wirken Ludwig Baumanns von Günter Knebel, dem Vorsitzenden der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz und einem Vortrag zu Kunst und Protest von Dr. Valentina Vlašić die Preisträger*innen sprechen.

Frida Henkel, die zusammen mit der Soligruppe plakativ den Preis erhielt, war online zugeschaltet. Sie erzählte von den Hausdurchsuchungen wegen eines umgestalteten Bundeswehrplakats und der anschließenden Antirepressionsarbeit, die schließlich in eine Verfassungsbeschwerde mündete.

Wilfried Porwol präsentierte seine zahlreichen Umgestaltungen des nationalsozialistischen Krieger“denkmals“ in Kalkar. Wir gratulieren beiden Preisträger*innen von ganzem Herzen mit einem „Yo!“

Samstag

Der Samstag begann mit der Aussprache zu den Berichten der Amtsträger*innen und deren Entlastung. Mit der Arbeit der Lobby-Stelle waren alle sehr zufrieden. In all dem Lob und Jubel, dass wir jetzt endlich ne echte NGO sind, ging unter, dass die Stelle, die immerhin 50.000 Euro im Jahr kostet und bisher zweimal von einer einzigen Großspender*in aufgebracht wurde, bisher nur provisorisch vom Bundesausschuss eingerichtet war, und noch vom Buko hätte bestätigt werden müssen… Naja, dann halt nächstes Mal.

Bildungsarbeit statt Lobbyismus?

Eines unserer Haupt-Probleme mit der Lobby-Stelle kam in einem Statement einer anderen Delegierten gut zur Geltung: „Voll gut, dass es die Lobby-Stelle gibt, weil wir als Basisgruppe könnten sowas nie!“ Unsere Meinung: Schade, dass das Selbstbewusstsein und das Wirkmächtigkeitsgefühl da so gering ist. Genau deshalb sollte der Verband eher eine Stelle unterstützen, die Bildungsarbeit in den Bereichen Lobbyismus von unten, PR für Anfäger*innen mit wenig Ressourcen, etc. macht.

Gerade vor der Perspektive, dass unser Verein in naher Zukunft vor massiven Geldproblemen stehen wird, sollten wir statt Hauptamtliche einzustellen, lieber die ehrenamtliche Arbeit an der Basis „professionalisieren“, indem die dort Aktiven Kenntnisse und Selbstvertrauen erwerben.

Der Krieg in der Ukraine

Es ging weiter mit der Aussprache über den Krieg in der Ukraine. Nachdem wir uns Reden von Maurice Conrad (Fridays for Future) und Yurii Sheliazhenko (Ukrainian Pacifist Movement) angehört hatten, begann die Aussprache innerhalb der DFG-VK.

Für Gesprächsbedarf sorgten Maurices Forderungen nach einem Boycott fossiler Energieträger*innen und nach wirkungsvollen Sanktionen (was viel besseres fiel der Versammlung aber auch nicht ein). Auch die Mode-Bezeichnung „national-faschistisch“ für dass, was da in Russland gerade abgeht, sorgte für Kritik. Wir denken, es war eine gute Idee, eine externe Redner*in zu engagieren, die uns an einigen Punkten auch sehr deutlich den Spiegel vorgehalten hat.

Ekel vor Ukrainer*innen?

Ein Redebeitrag hatte es in sich: Eine Delegierte äußerte Unbehagen damit, den Ukrainer*innen den Frieden zu wünschen. Schließlich hätte man in der Ukraine eine miserable Bildung. In den Geschichtsbüchern stünde, die Ukraine hätte den Nationalsozialismus besiegt. Außerdem habe sie widerliche Bilder gesehen: An „jedem Laternenpfahl“ in der Ukraine würden Leute gefesselt und geprügelt. Und keine Ukrainer*in hätte je etwas dagegen gesagt. Da komme ihr „nur noch der Ekel“.

Der ganze Redebeitrag war weit entfernt von einer Kritik, die anerkennt, dass Menschen im Krieg abscheuliche Dinge tun. Stattdessen war er von der rassistischen Vorstellung aufgeladen, Ukrainer*innen seien von niederer Moral und hätten einen besonderen Hang zur Selbstjustiz. Und bestimmt ein Drittel der Delegierten beklatschten diese laut vorgetragene Hetzrede.

Kein „Aber die Nato…!!!“

Insgesamt lief die Debatte über den Krieg in der Ukraine aber recht chillig und wenig verrückt ab. Das zeigt sich auch an der Abschlussresolution, die trotz vieler Änderungsanträge recht moderat geraten ist und z.B. ohne „Aber die Nato…!“ auskommt. Spoileralarm: https://dfg-vk.de/abschlussresolution-des-23-dfg-vk-bundeskongresses/#/

Arbeitsgruppen

Nach dem Mittagessen gab es Arbeitsgruppen. Da im Plenum hinterher nicht darüber geredet wurde, und wir alle bei derselben Arbeitsgruppe waren (fail…), wissen wir leider nicht viel zu berichten. Dabei hätte uns durchaus interessiert, was der Stand bei „Sicherheit neu denken“ ist, denn immerhin war uns vor drei Jahren in Frankfurt versprochen worden, dass die Kampagne dafür sorgen würde, dass das Thema „Abschaffung der Bundeswehr“ letztes Jahr Wahlkampfthema gewesen sein werde. Doch wir waren alle bei einer Arbeitsgruppe, in der der Berlin Busters Social Club über das Verändern von Werbeplakaten der Bundeswehr berichtete. War recht unterhaltsam.

Antragsberatungen

Unter den am Samstag Nachmittag besprochenen Änträgen stachen zwei hervor. Der Landesverband MV wollte beschlossen haben, das der Bundessprecher*innenkreis sich mit Antifaschismus beschäftigt. Auch wenn der völlig berechtigte Diss in der Begründung gegen „Stop Ramstein“ nicht allen gefiel, wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Auch die Rechtsoffenheit der Diskusion hielt sich in Grenzen. Klar: Köln passte der Antrag nicht, und der ein oder andere will sich nicht verbieten lassen, mit welchen Nazis und Nazifreunden er redet, aber in Länge und Ausmaß war die Debatte kein Vergleich zu ähnlichen Entscheidungen beim Buko 2019 in Frankfurt/Main.

„Rasse“ statt „Rassismus“ aus der Satzung gestrichen

Ähnlich lief es beim Antrag des BA, den Begriff „Rasse“ aus der Satzung zu streichen. Die rassistisch geprägte Formulierung „Achtung der Menschenrechte […] ohne Unterschied im Bezug auf (…) [die] Rasse, (…)“ sollte ersetzt werden durch „[der Verband] tritt dafür ein, dass niemand rassistisch behandelt wird“.

Wilfried Porwol stellte hier einen sehr guten Ergänzungsantrag. Er setzte durch, dass neben anderen Dingen und Rassimus auch „sexuelle Orientierung“ und „Alter“ in der Liste stehen, weswegen niemand diskriminiert werden soll.

Die Wortführer*in der in unseren Augen weit rechtsoffenen Gruppe Köln beantragte, das mit dem Rassismus ganz zu streichen (auch der Begriff „Rassismus“ reproduziere immer noch den ursprünglichen Wortstamm des Wortes „Rasse“ und sei deshalb abzulehnen).

Doch statt dass die Delegierten gefühlt stundenlang mit haarstreubenden Begründungen darüber diskutieren, wurde der Änderungsantrag nach zwei-drei Klarstellungen, warum das Benennen von Diskriminierungsverhältnissen wichtig ist, und der Klarstellung, dass es zwar „Rassen“ nicht gibt, Rassismus aber schon, angemessen flott bei Seite gelegt, und dem ursprünglichen Anliegen entsprochen.

Amtszeitbegrenzung?

Die Basisgruppe Kassel stellte einen Antrag auf Amtszeitbegrenzung der Geschäftsführer*in auf maximal vier Amtszeiten am Stück. Die Delegierten lehnten diesen Antrag ab. Gerade die Amtsträger, die seit sehr vielen Jahren im Amt sind, positionierten sich dagegen. Sie würden sich jedoch nicht an ihre Ämter klammern. Wenn junge Leute kämen, würden sie damit sehr konstruktiv umgehen. Aber es wolle ja niemand den Job machen…

Konfliktberatungskommission

Beschlossen wurde die Einrichtung einer Konfliktberatungskommision. Angesichts dessen, was gerade bei der Linkspartei abgeht und dem Fakt, dass es in unserem Verband ebenfalls bisher keine kompetenten, angemessen ausgestatteten und außerhalb der Verbandshierachie stehenenden Ansprechpartner*innen bei Übergriffen, sexualisierter Gewalt, etc. gibt, fanden wir das zuerst ne gute Idee, die man einfach nur ein bisschen weiter denken müsste. Als wir dann gesehen haben, wer dafür kandidiert, änderte sich unsere Meinung. Unser Änderungsantrag, dass die Konfliktberatungskomission für die Mediation von Konflikten externe Fachleute heranholen muss, wurde abgelehnt. Nun fürchten wir, dass die Kommission ein Silencing-Instrument für Kritik wird.

Beitragsänderung

Als letzter Tagungsordnungspunkt wurde eine Beitragserhöhung beschlossen. In die Debatte miteingeschoben wurde eine Entscheidung über eine Veränderung des Einnahmenschlüssels. Sämtliche zur Abstimmung gestellten Änderungsvorschläge liefen auf eine Verschlechterung des Schlüssels zu lasten der Gruppen oder Länderverbände und auf eine Stärkung der Einnahmen der Bundesebene hinaus. Letztlich wurde beschlossen, den Gruppen drei Prozent zu klauen, und diese dem Bundesverband zuzuschlagen.

Wir hätten nie gedacht, dass der Antrag durchgeht. Aus anschließenden Einzelgesprächen ergibt sich bei uns der Verdacht, dass nicht jede*r wusste, wofür da genau abgestimmt wurde, und man angesichts der fortgeschrittenen Zeit eher auf die Autorität der Antragssteller*in vertraute…

Sonntag

Am Sontag standen vor allem die Wahlen an. Wie wichtig das Thematisieren von Rassismus ist, zeigte sich, als sich Adrian zur Wahl stellte. Als er seinen vollen Namen sagte, lachte mindestens die Hälfte der Delegierten. Adrian erwiderte sehr schlagfertig: „Für euch ist das vielleicht lustig. Für mich ist das ganz normal.“ Hoffentlich haben viele Delegierte den Wink mit dem Laternenpfahl verstanden…

(Edit, 31.5.22: Zu diesem Absatz erreichten uns Nachfragen, deshalb eine genauere Darstellung: Wir würden sagen, dass Adrian nicht ausgelacht wurde. Das Lachen war nicht offen feindlich und auch kein Spott, wie ihn z.B. der Name Axel Schweiß vielleicht auslösen würde. Das Lachen kam unserer Interpretation eher aus einer nicht bös gemeinten Irritation. Adrian reagierte aber trotzdem völlig zu Recht darauf, weil dass nicht bös gemeinte irritierte Lachen ihm unterschwellig signalisiert, dass er fremd ist, nicht dazu gehört, etc. Und für solche unterschwelligen ausgrenzenden Sozialdynamiken sollten Angehörige eines Pazifist*innenverbandes, in dem Gewaltfreiheit angeblich ganz wichtig ist, sensibel sein. Sind wir aber nicht, wie das Beispiel zeigt).

BSK-Wahl
Zur Wahl für den BSK standen auch zwei Kandidaten aus Berlin. An diese richteten sich fast alle Nachfragen und Statements. Diese waren häufig von Nichtwissen, Verdrehungen und Unterstellungen geprägt. Als eine der beiden aus unseren Reihen kandidieren Personen sagte, dass sie u.a. gewählt werden wolle, um sich gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus im Verband engagieren zu können und auf empörte Nachfrage entsprechende Vorfälle aufzählte, unterbrachen und pöbelten mehrere Delegierte laut. Ganz vorne mit dabei beim Mundtot machen: Ausgerechnet zwei ständig auf gewaltfreie Kommunikation bestehenden Personen aus der ach so gewaltfreien Konfliktberatungskommision.

Unterstützung?

Unterstützung bekamen wir ausgerechnet von Thomas-Carl Schwoerer. Von den „Jungen“ sah sich lediglich Michi bemüßig, die von den die Rede unterbrechenden Pöbeleien betroffene Person zu unterstützen. Ansonsten: Schweigen. Hinter den Kulissen wird uns gesagt, es sei ganz großartig, was wir machen. Aber wenn es darum geht, mal den Rücken gerade und den Mund aufzumachen, kommt nichts. Hier sieht man, dass die meisten „Jungen“ recht bequem für die „Alten“ sind. Letztlich wurde eine Person von uns sehr knapp gewählt, die andere leider sehr knapp nicht.

Kritik an Rassismus ist Seximus gegen Männer?

Eine Blüte aus der Debatte: Ein Delegierter aus Mainz beschwerte sich, bei dem ständigen Genöhle auf den Mailinglisten über z.B. Rassismus fühle er sich als Mann sexistisch diskriminiert. Und als niemand sich bemüßigt fühlte, auf seinen Beitrag einzugehen, war der selbsternannte Sexismus-Experte beleidigt.

Abstimmung unter falschen Namen?

Außerdem beschwerte der besagte Delegierte aus Mainz sich darüber, dass wir unseren Gruppenacount auf dem Aktiven-Verteiler gemeinsam nutzen. Er könne die mit amab, einige aus der amab, j, k, h oder anderen Kürzeln unterzeichneten Mails leider nicht auseinander halten und finde es total schlimm, dass da Leute unter falschen Namen oder gar anonym aufträten. Wenige Minuten später stellte er einen GO-Antrag auf Pause, denn er wisse, dass gerade zwei Delis nicht online abstimmen könnten. Neben ihm säße die Genossin X, sie sei mit den Zugangsdaten des Genossen Z im Abstimmungstool und das funktioniere gerade nicht (diesen potentiell die Legitimität der ganzen Abstimmung bedrohenden Vorgang ignorierten wir, ebenso das Präsidium und der Rest der Plenums). Dieselbe Person riet uns außerdem, dass wir uns mehr selbstkritisch hinterfragen sollten…

(Edit, 17.7.23: Zu diesem Absatz kontaktierte uns ein Delegierter, dass der Absatz seiner Meinung nach Falschinformationen enthalte, um dessen Korrektur er uns bat. Als Reaktion darauf haben wir hier am 12.6.22 eine auf seinen Aussagen basierende Gegendarstellung hinzugefügt. Nun erreichte uns vom selben Delegierten wiederum die Forderung, diese Gegendarstellung zu löschen, was wir hiermit gemacht haben.)

Fazit:

Unser Fazit vom Bundeskongress ist durchwachsen. Die Wahlergebnisse zeigen, dass eher jemand gewählt wird, der nie etwas sagt, als jemand, der sich in die Debatte einbringt, dabei aber auch Leuten die Meinung sagt. Die Debatte um den abgelehnten Antrag zur Amtszeitbegrenzung und die Wahl zeigen: Junge Leute nimmt man gerne, aber bitte nur, wenn diese nicht mit Kritik stören, keine eigene Agenda entwickeln und wenn doch, brav um Erlaubnis fragen. Und den Hass auf Israel will man sich auch nicht verbieten lassen.

Warum machen wir da trotzdem mit?

Wir haben auch nette Leute getroffen und hatten viele gute Gespräche. In der DFG-VK gibt es sehr viele spannende Leute, die vor Ort gute politische Arbeit leisten. Und auch viele von den Leuten, mit denen wir uns oft fetzen, vertreten im nächsten Moment sehr sinnvolle Positionen. Fast die Hälfte der Delegierten unterstützte Kandidaturen von Personen, die im BSK was gegen Antisemitismus, Sexismus, Rassismus und Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung machen wollen. Hier und auch wegen des Verlaufs der Debatten zum Rassismus- und zum Antifaschismus-Antrag sehen wir klare Anzeichen dafür, dass unser ständiges Rumnerven und Einfordern von Positionierungen recht erfolgreich ist, und sich die Kultur des Verbandes in den letzten drei Jahren bereits ein Stück weit verändert hat. Das Wahlergebnis zeigt: Fast die Hälfte der Delegierten unterstützt diese Politik. Warum sollten wir da nicht weiter machen?

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