Zukunft ohne Krieg: Ein Bericht zur Veranstaltung der War Resisters‘ International

WRI100: Die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen feiert ihren 100. Geburtstag nach, und wir sind dabei. Deshalb waren wir ein Wochenende in Utrecht in den Niederlanden. Unser Erlebnis-Bericht:

Reduziertes Programm
Das ganze stand unter keinem guten Stern. Ursprünglich sollte es ein ganzes Wochenende voller Workshops werden, an dem die War Resister’s International in Utrecht ihren 100. Geburtstag feiern. Doch dann kam COVID… Auch 2022 starte die WRI mit großen Plänen, doch verschiedene Probleme sorgten dafür, dass die Veranstaltung immer kleiner wurde. Die Pläne mussten letztendlich leider auf eine Abendveranstaltung reduziert werden.

Kein Zug fährt in den Niederlanden
Auch unsere Reise begann mit Fehlstarts. Bereits am Abend vorher sagte eine Person ab (COVID ist wieder da!). Und zeitgleich meldete unsere Internet-Aufklärung, dass unsere Genoss*innen der Niederländischen Bahn ausgerechnet an unserem Reisetag mit einem fetten Streik ihre Arbeitgeber*innen in die Mangel nehmen werden. Der Bahnstreik war ein voller Erfolg (fette Probs und Solidarität nach NL).

Wir hatten uns derweil ne Spritschleuder klargemacht (statt Toyota gab’s sogar nen Audi) und donnerten auf der Bundesautobahn nach Westen. Ganz knapp vor der Abfahrt nach Osnabrück rief eine Bundessprecher*in an. Er sei wegen des Streiks in Venlo gestrandet… Kurzerhand entschieden wir, den Steuerknüppel nach Südwesten zu drücken und eine Evakuierungsmission einzuleiten.

Kurze Urlaubsgefühle in Utrecht
Irgendwann waren wir dann auch in Utrecht. Unser Hotel war spitze. Mit Dachterrase!

Und hier der Ausblick:

Youth Meeting
Etwas unterbesucht war das Youth Meeting für die Kampagne „Stop the militarisation of the youth“. Aber die Burger waren gut, und wir haben Erdbeerbier entdeckt.

Und wir haben entdeckt, dass die Niederländer*innen grad krass auf „Radler“ abfahren. Und Mate-Limonade ist in den etwas schickeren Supermärkten durchaus schon erfunden, kostet aber 1,39.

Nächster Tag Erdbeerbier auskatern, an die frische Luft, noch mehr von der Stadt entdecken: in Utrecht war „Tag des Denkmals“ und man konnte gefühlt in jede zweite Hütte.

In der Stadt wurden mehrere Friedensschlüsse verhandelt. Das man in Utrecht bis heute darauf stolz ist, zeigt auch das Stadtbild.

Die Veranstaltung „Future Without War“
Um 16h begann die Geburtstagsparty. Das Event „Future Without War“ im hübschen Kargadoor in Utrecht begann mit einer Eröffnungsveranstaltung, in der sechs Redner*innen in kurzen Voträgen ihre Arbeit vorstellten. Zwischendurch gab es auch Live-Musik und Gedichte. Außerdem konnten wir interessante Workshops zum Ukraine-Krieg und dazu, was Aktivist*innen aus verschiedenen Ländern dazu tun, besuchen. Vernetzungsmöglichkeiten gab es beim Abendessen und beim Ausklingen des Abends nach den Workshops.

Pazifismus in der Ukraine
Zunächst stellte Yurii Sheliazhenko seine Gruppe „Ukrainische pazifistische Bewegung“ vor. Leider kamen wir ein paar Minuten zu spät, sodass wir den Hauptteil seines Vortrags nicht mitbekommen haben. Wir kamen gerade rechtzeitig an, um uns sein Gedicht [[https://www.youtube.com/watch?v=7TC6cG0synI|Ridiculous War]] zu hören: Eine Märchengeschichte, in der das Lachen über einen Witz auf dem Schlachtfeld den Krieg beendet. Das Gedicht soll eine Alternative zu den „Märchengeschichten des Krieges“ sein. Was es in dem für ihn angedachten 90-minütigen Workshopslot machen wollte, konnten wir leider nicht erfahren, weil sein Workshop aufgrund technischer Probleme ausgefallen ist.

Wie die „Ukrainische pazifistische Bewegung“ in der dortigen Linken gesehen wird, zeigt diese Reportage aus „Analyse und Kritik“, die neben der Sichtweise anderer ukrainischer Linken einen gemeinen Spruch über Yurii 1 zu 1 ohne kritischen Einordnung kolportiert.

https://www.akweb.de/ausgaben/682/was-wollen-linke-in-der-ukraine-solidaritaets-delegation-in-lwiw

Wir halten es für sinnvoll, wenn Friedensorganisationen künftig neben Yurii auch mal andere Leute aus der Ukraine einladen würden, auch wenn sie vielleicht keine Pazifist*innen sind. Das könnte unseren Horizont erweitern.

Belarussische zweite Front im Ukraine-Krieg verhindern
Olga Karatch von der belarussischen Menschenrechtsorganisation Nash Dom stellte deren neue Kampagne NO means NO vor. Mit dieser Kampagne möchten sie verhindern, dass Belarus eine zweite Front gegen die Ukraine startet. Das soll erreicht werden, indem die jährlich 10.000-20.000 Leute, die in den Kriegsdienst einberufen werden, desertieren.

Die Kampagne macht dabei auf das in Belarus praktisch nicht bekannte aber in der Verfassung verankerte Recht zur Ausübung eines zivilen Wehrersatzdienstes aufmerksam. Obwohl man also technisch gesehen ein Recht zur Verweigerung hat, steht man in Belarus real vor der Wahl zwischen Knast und Flucht. Da Flucht die bessere Option ist, als in Belarussischen Gefängnissen gefoltert zu werden, möchte Nash Dom einen Fluchtkorridor nach Polen schaffen und sich darum kümmern, dass die Leute dort Asyl bekommen. Olga berichtete, dass das Anliegen in der polnischen Politik durchaus Zuspruch findet, es allerdings bei der Ausstellung von Visa noch zu viele bürokratische Hürden gibt und die Visa vor allem nicht schnell genug ausgestellt werden.

Kriegsdienstverweigerung in Russland
In Russland geht das mit der Kriegsdienstverweigerung noch etwas besser. Ungefähr die Hälfte der Antragsteller*innen dürfen dort einen zivilen Wehrersatzdienst ausüben. Die Gruppe „Bewegung russischer Kriegsdienstverweiger*innen“ hilft ihnen bei der Antragstellung und möglichen Gerichtsverfahren. Alex Belik stellte die Arbeit der Gruppe vor. Ein Teil ist beispielsweise die Erstellung von YouTube-Videos, in denen die Rechtslage erklärt und praktische Tipps zur Kriegsdienstverweigerung gegeben werden.

Asyl für russische Kriegsdienstverweigerer
Rudi Friedrich von Connection e.V. erklärte in seinem Vortrag die Schwierigkeiten für russiche Kriegsdienstverweiger*innen, in EU-Staaten Asyl zu bekommen. Zwar haben sie auf dem Papier den Anspruch darauf, jedoch müssen sie nachweisen, dass sie in den Dienst einberufen worden sind. Wer so schlau war, vor der Einberufung zu fliehen, bekommt kein Asyl. Hier bietet sich eine ganz einleuchtende Handlungsoption für zum Beispiel uns in Deutschland: Wir sollten Druck auf die Regierung machen, damit solche Hürden in den Asylverfahren abgebaut werden.

In der Eröffnungsveranstaltung redeten außerdem Mark Akkerman von Stop Wapenhandel, der die Rolle des Waffenhandels im Ukraine-Krieg vorstellte, und Christine Schweitzer vom Bund für soziale Verteidigung (BSV), die das Konzept der sozialen Verteidigung erklärte.

Vernetzung bei Suppe und Bier
Anschließend gab es leckeres veganes Abendessen (Suppe und belegte Brote) und die Teilnehmer*innen konnten sich in losen Gesprächen in der Kneipe des Veranstaltungsorts vernetzen und zu den Vorträgen austauschen. Darauf folgten 90-minütige Workshop-Slots, in denen die kurzen Vorträge der Eröffnungsveranstaltung vertieft wurden. Mindestens bei Olga Karatch von Nash Dom war dabei die Bezeichnung als „Workshop“ nicht gerade treffend. Stattdessen hielt sie einen sehr spannenden 100-minütigen Vortrag.

Nach den Workshops gab es wieder die Möglichkeit zu losen Gesprächen und Vernetzung. Außerdem wurden ein paar antimilitaristische Kurzfilme gezeigt. Insgesamt ist den Organisator*innen damit ein abwechslungsreicher und spannender Abend gelungen, mit hohen Chancen, dass aus ihm auch die ein oder andere praktische Kooperation entstehen wird.

Mehr Infos:

War Resisters International:
https://wri-irg.org/
https://www.wri100.nl/

Nash Dom, Belarus:
https://news.house/

Connection e. V.:
https://www.connection-ev.org/

Alex Belik, Movement of Conscientious Objectors of Russia:
https://www.wri100.nl/alex-belik-movement-of-conscientious-objectors-of-russia-2/

Yurii Sheliazhenko, Pacifist Movement of Ukraine:
https://www.wri100.nl/yurii-sheliazhenko-pacifist-movement-of-ukraine/

 

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