Huch? Was haben Berliner Werbeposter in Helsinki verloren? Und warum werben sie für Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen? Das haben wir uns jedenfalls gefragt als wir bei Indymedia über folgende Aktion gestolpert sind: Mit veränderten Werbeposter fordern Antimilitarist*innen Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen“ aus Belarus und Russland. „Wir sind gerade in Helsinki, um uns mit Antimilitarist:innen aus dem Ostseeraum zu vernetzen“, berichtet Roderich Supersonnenwetter, Sprecher:in der Aktionsgruppe (AfKj!) auf Indymedia. „So nah an der Grenze zu Russland ist es sinnvoll, ein Solidaritätszeichen für Kriegsdienstverweigerung zu setzen“. Roderich Supersonnenwetter sagt: „Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen aus Russland und Belarus ist eine smarte Methode, um Putin das Führen seines Krieges in der Ukraine zu erschweren!“
Gemeinsamer Workshop
Adbusting ist eine Form von Street-Art. Dabei kapern Aktivistinnen Werbeplakate und geben ihnen mit Farbe, Kleber, Schere und Papier einen neue Bedeutung. Entstanden sind die Solidaritäts-Adbustings am letzten Wochenende in Helsinki. Kriegsgegner:innen aus Finnland, Deutschland und Belarus brainstormten während eines gemeinsamen Workshops auf einem Vernetzungstreffen geeignete Veränderungen. Danach rückten sie den Werbeplakaten zu Leibe, um aus ihnen Adbustings mit der Forderung nach Asyl für Kriegsdienstverweigerung zu gestalten. „Es hat super viel Spaß gemacht, sich auf so kreative Weise mit dem Themen Asyl und Kriegsdienstverweigerung zu beschäftigen und unsere Solidarität auszudrücken“, freut sich Lara, eine der Teilnehmerinnen.
Plant hope!
Die ausgeliehenen Poster aus Berlin schmücken nun die Innenstadt von Helsinki. Die Werbung für ein aktuell in Berlin aufgeführtes Musical fordert nach der Veränderung durch die Aktivist:innen Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen: „Plant hope! Grant asylum for war resisters from Russia and Belarus now!“
Petition statt Handy-Werbung
Statt zum Beispiel Werbung für neue Handys zu machen, verweisen die Plakate auf eine Petition an die EU-Kommission. Der Slogan auf einer ehemaligen Handy-Werbung schlägt vor: „Asylum for War Resisters from Russia and Belarus!“ Und auf dem Bildschirm des beworbenen Telefons findet sich die Antwort „Sign now:“ Es folgt ein QR-Code, der direkt zur passenden Petition der „Object war campaign“ führt.
Putins Krieg beenden?
Ähnlich funktioniert das Adbusting der Werbung einer dubiosen Agentur, die gegen horrend hohe Gebühren Menschen völlig verantwortungslos einredet, sie könnten Bücher schreiben. „Looking for a clever way to end Putins War?“ steht nun anstelle des Werbeslogans auf den Postern. Die abgebildete Person mit Brille antwortet: „Grant asylum to War Resisters now!“ Daneben klebt der erwähnte QR-Code mit dem Link zur Petition.
Sinnvolle Dinge tun
Auf einem weiteren Poster teilt ein lächelnder Mensch auf der Werbung für eine scheißteure Privatuni der Öffentlichkeit mit: „I deserted Putins war. Now I can contribute to society.“ Darunter findet sich die Forderung: „Grant asylum to War Resisters now!“ und der QR-Code.
Dont Rest In Peace
Ein fast komplett in supercoolem Schwarz gehaltenes Plakat einer scamverdächtigen Online-Plattform für Aktienhandel knöpften die Aktivist*innen sich ebenfalls vor. „Don’t rest in peace. Asylum for war resisters from Belarus and Russia now!“ lautet die Beschriftung nun.
Füchse und BVG deplaziert
Berlins Eishockey-Mannschaft und die Berliner Verkehrsbetriebe hat die Deplatzierung nach Helsinki ebenfalls erwischt: Der Slogan „Dont be a War Dog! Be a Peace Fox“ und ein Link zur Webpage der finnischen Union der Kriegsdienstverweiger:innen zieren nun das Plakat.
Asyl statt Aufrüstung
Anstatt immer mehr Geld an die Nazi-Prepper in der Bundeswehr und Putins Energiefirmen wie Rosatom zu geben, sollten wir gewaltfreie Kampfformen entwickeln, um Druck auf kriegsgeile Diktator:innen wie Putin zu machen!“ sagt Roderich Supersonnenwetter, Sprecher*in der Aktionsgruppe (AfKj!). „Kriegsdienstverweiger:innen und Deserteur:innen selbstverständlich Asyl zu gewähren, ist ein Weg, Russland die Kriegsführung in der Ukraine zu erschweren!“
Object war campaign
Das finden auch die Betreiber:innen der Object War Campaign. Mit einer Petition an die EU-Kommissionen versuchen in diesem Rahmen Friedensorganisationen aus ganz Europa eine Änderung der aktuellen Asylpolitik zu erreichen. Mehr Informationen zur „Object War Campaign“:
https://objectwarcampaign.org/en/
Medien berichteten über Aktionen
Die Gruppe „Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen jetzt!“ (AfKj!) fiel bereits in der Vergangenheit mit Adbustings auf. Bereits im Sommer 2023 kaperte sie laut der in Berlin ansässigen Tageszeitung „Tagesspiegel“ 20 Werbevitrinen, um Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen zu fordern:
Ist Adbusting strafbar?
Doch dürfen die Aktivist:innen das überhaupt? Vermutlich schon. Der bundesweit einzige Gerichtsprozess in den letzten 15 Jahren wegen Adbusting endete 2018 in Berlin mit einer Einstellung. Trotz drei Jahren Ermittlungen und über 1000 Seiten Akte konnte der Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA) damals nicht beweisen, welcher und wie viel Schaden beim Adbusting entsteht. Seit dem entschieden diverse Staatsanwaltschaften aus der gesamten Bundesrepublik, dass das unerlaubte Öffnen von Werbevitrinen und das Hineinhängen eigener Poster nicht strafbar sei. Das Bundesverfassungsgericht verurteilte im Dezember 2023 die Berliner Polizei. Das Gericht befand, dass eine Hausdurchsuchung wegen Adbusting illegal war. Das Ausleihen und Bekleben von Postern dürfte unter die Bagatellgrenze fallen.