Unilever zahlt immer noch Steuern an das russische Kriegs-Regime. Das erfuhren dieses Wochenende Passant*innen in der Berliner Innenstadt dank 30 umgebastelter Werbeplakate des Konzerns. Aktivist*innen der Antimilitaristischen Aktion Berlin hatten sich 30 der Plakate ausgeliehen und veränderten die Botschaften. Statt für die Produkte von Unilever zu werben, machen die Plakate nun darauf aufmerksam, dass Unilever mit seinen Steuerzahlungen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine finanziert. „Wir wollen gewaltfrei Druck auf den Aggressor Russland auszuüben“ sagt Jan Hansen, Sprecher*in der Antimilitaristischen Aktion Berlin. Über zwei Jahre nach Kriegsbeginn müsse die Friedensbewegung endlich seriöse Politik machen und gewaltfrei Druck auf die Kriegsursache in Moskau ausüben, statt auf Querfrontdemos Putin-Propaganda nachzuplappern: „Das haben wir jetzt schonmal vorgeturnt, indem wir Unilever für die Mitfinanzierung des russischen Angriffskrieges öffentlich verantwortlich machen!“
Magnum-Adbustings gegen Steuerzahlungen an Russland
Der Konzern Unilever hat richtig viel Geld in die Hand genommen und bewirbt aktuell mit Plakaten an den Bus- und Tramhaltestellen Berlins gerade Duschgel von Dove und Magnum-Speiseeis. Doch die Poster zeigen jetzt Putins Gesicht auf einem blutenden Eis am Stiel statt Himbeern und eine weiße Schokohülle. Darüber steht der Aufruf „Defund Putin’s War!“. Die Aktivist*innen haben alle Poster außerdem mit einem Hinweisschild im Tabak-Design versehen: „Unilever finanziert den russischen Angriffskrieg in der Ukraine!“
Blutig statt sauber?
Auch die Werbung für Dove-Duschgel veränderten die Aktivist*innen. Anstelle der goldenen Taube des Markenlogos von Dove ist nun ein Panzer zu sehen. Darüber prangt erneut „Defund Putin’s War“ und der erwähnte Warnhinweis. Jan Hansen, Sprecher*in der Antimilitaristischen Aktion Berlin, ist zufrieden: „Unilever investiert mit der Werbung in ein positives Bild seiner Marken,“ so die Aktivist*in: „Das positive Bild ruinieren wir, wenn die Leute an Putins Visage denken müssen, wenn sie Magnum oder Dove sehen!“
Adbusting bedroht Markenwert
Das funktioniert wirklich. Sagen Erik Maier, Professor für Marketing und Handel an der Leipzig Graduate School of Management, und Alexander Mafael, Associate Professor für Marketing und Strategy an der Stockholm School of Econimics. Die beiden haben 2023 die Studie „Adbusting: How advertising altered by activists affects brands“ veröffentlicht. Die beiden haben rausgefunden: Wird eine Marke durch Adbustings mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht, sinkt die Einschätzung durch Konsument*innen. „Auf den Gedanken wird hoffentlich auch Unilever kommen und sich aus Marketinggründen aus Russland zurückziehen“ sagt Jan Hansen, Sprecher*in der Antimilitaristischen Aktion Berlin.
Reaktionen?
Die Aktivist*innen platzierten die Poster vor allem an Orten, wo es ein hohes Aufkommen an Passant*innen gibt. Und wo die Menschen die Plakate gut betrachten können. „Der Renner waren die Bushaltestellen am Hauptbahnhof, der übers Wochenende ohne S-Bahn-Anschluss war, und die Flaniermeile „Unter den Linden“, erklärt Jan Hansen. „Was wir jedoch völlig unterschätzt haben, ist die Reaktion von Kindern auf Werbung für Speiseeis …“ Praktisch überall konnte die Gruppe nach dem Aufhängen beobachten, wie Kinder auf die bemalten und beklebten Poster aufmerksam wurden und ihre Eltern fragen. „Was ist das? Was steht da?“ Die Eltern lesen dann mehr oder weniger motiviert den Text des Posters vor. „Und spätestens jetzt gucken auch alle andern…“ sagt Hansen.
Ist Adbusting nicht strafbar?
Obwohl sich schon das Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern mehrmals mit dem Fälschen von Werbeplakaten beschäftigte, sich die Geheimdienste in mehreren Verfassungsschutzberichten über Adbusting empörten und diverse Landespolizeien mit DNA-Analysen nach den Künstler*innen fahndeten, stellten Gerichte und Staatsanwaltschaften Strafverfahren immer wieder ein. Gerade erst entschied das Bundesverfassungsgericht, das die Berliner Polizei illegal Hausdurchsuchungen bei Adbuster*innen durchgeführt hatte:
Was ist b4Ukraine?
Ein QR-Code auf den umgebastelten Postern führt auf die Webseite des Bündnisses b4Ukraine. b4Ukraine ist ein internationaler Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen. Deren Ziel ist es, den Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen hinter der russischen Aggression zu blockieren. Aus Deutschland beteiligen sich die NGO „Urgewald“ und die „Kritischen Aktionäre“. b4Ukraine macht vor allem Druck auf internationale Firmen, ihre Geschäfte in Russland zu beenden. Dafür nutzt das Bündnis eine von der „Kyiv School of Economics“ (KSE) verwaltete Liste der internationalen Firmen, die noch in Russland aktiv sind. Auf der Liste steht unter anderem Unilever. Die Kyiv School of Economics ist eine sehr kleine, elitäre Privathochschule. Sie finanziert sich aus internationalen Spenden an die „KSE Foundation“. Der Schwerpunkt der Hochschule liegt auf dem Thema Rüstungsforschung. Insbesondere entwickelte sie Trainings für Drohnenpiloten und führt diese regelmäßig durch.
Wenig gute Konzepte aus der Friedensbewegung
Jan Hansen erklärt, warum die Antimilitaristische Aktion Berlin sich trotz des Rüstungsschwerpunktes auf die Daten der Kyiv School of Economics stüzt: „Die internationale und die deutsche Friedensbewegung haben in zwei Jahren Krieg leider nichts vergleichbares auf die Beine gestellt.“ Die Friedensbewegten boykottierten lieber voller Leidenschaft und Herzblut jede noch so kleine Avocado aus Israel. „Doch ernsthafte Ansätze, wie es mit der viel beschrienen Friedenslogik gelingen soll, ohne Waffenlieferungen und Aufrüstung gewaltfrei Druck auf die Kriegsursache in Moskau auszuüben, sind bis auf einige hoffnungsvolle Ansätze leider Fehlanzeige!“, sagt Jan Hansen.
Kein Kerosin für russische Kampfjets
Ökos aus Russland machten Mitte 2023 öffentlich, dass der deutsche Gas- und Ölproduzent Wintershall Dea Kerosin für Raketen und Bomber an das russische Militär verkauft. Der Aufschrei war so groß, dass das Unternehmen wenige Monate später ankündigte, die Geschäfte in Russland zu beenden.
Soziale Verteidigung
Der Bund für Soziale Verteidigung startete im Jahr 2023 die Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“. Die Idee der Sozialen Verteidigung ist, statt militärisch Gelände, Grenzen und Territorien zu verteidgen, soziale Strukturen zu schützen. Die Kampagne möchte Strukturen schaffen, die uns im Falle eines Krieges oder eines rechten Putsches handlungsfähig machen. Dazu suchen sie Modell-Kommunen, die der militärischen Verteidigung eine Absage erteilen und eine Soziale Verteidigung vorbereiten. Aktuell gibt es lediglich Arbeitsgruppen an drei Orten: Freiburg, Wendland und Berlin.
Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen
Die Initiative „Connection e. V.“ berät schon lange nach Deutschland geflüchtete Kriegsdienstverweiger*innen. Ohne Soldaten kann der Kreml seinen Krieg nicht führen. Connection e.V. startete die „Object War Campaign“ und fordert mit einer Petition an die Europäische Kommission Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine. Nach anfänglichen Erfolgen (50.000 Unterschriften, breite Berichterstattung) haben leider keine hundert russische Kriegsgegner*innen in Deutschland Asyl erhalten. Die Abschiebungen laufen bereits.
Deutsche Brennelemente für Russland?
Ein interessanter Ansatz, um gewaltfrei Druck auf die Kriegsursache in Moskau zu machen, kommt aus der Umweltbewegung. Denn der Atomkonzern Rosatom ist wegen deutscher Interessen und so natürlich von den Sanktionen ausgenommen. In der Brennelementefabrik in Lingen kooperiert der französische Betreiber Framatome mit Rosatom, um Brennstäbe herzustellen, die in russischen Reaktoren verwendbar sind. Obwohl es für die Kooperation noch keine Genehmigung gibt, fingen Framatome und Rosatom schonmal mit dem Ausbau der Brennelementefabrik an. Die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ macht seit Jahren Druck auf Framatome und auf die Bundes- und Landesregierung, dem Spuk ein Ende zu bereiten und die Kooperation mit Rosatom abzubrechen oder zu verbieten. Die Herstellung russischer Brennstäbe in Lingen würde nicht nur der russischen Wirtschaft und Energieversorgung gut tun: Das exportierte Uran könnte Russland in seinen Kernwaffen und Atom-U-Booten einsetzen.
Immer noch Waffenlieferungen an Russland
Die Berichterstattung über Waffenhersteller*innen, die nach wie vor Gewehre und Munition u.a. an die Wagner-Mörder*innenbande verkaufen, und Maschinenhersteller*innen, die Maschinen nach Russland verkaufen, aus denen Waffen produziert werden, interessierte die Friedensbewegung hingegen einen Scheißdreck.
Friedensbewegung schwurbelt lieber
Statt sich sinnvolle gewaltfrei Kampfmaßnahmen einfallen zu lassen, schwurbelt der Großteil der Friedensbewegung lieber von „Friedenslogik“ und verbreitet Putin-Propaganda, wie dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine ein „Stellvertreterkrieg der Nato“ sei. Die nächste „Bundesweite Großdemonstration“ mit „internationaler Pressekonferenz“ plant die Friedenserstarrung ausgerechnet zum deutschen Nationalfeiertag am 3. Oktober. „Der 2. Oktober wäre zwar der viel näher liegende „Internationale Tag der Gewaltfreiheit““, sagt Jan Hansen: „In der Friedenserstarrung hat man Bock auf nationalen Taumel.“ Die Antimilitaristische Aktion Berlin und der Landesverband Berlin-Brandenburg der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen) rufen dazu auf, sich von der Demo am 3. Oktober fernzuhalten.
Friedensbewegung muss Druck auf Russland machen
Wenn wir als Friedensbewegung mit unserer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine ernst genommen werden wollen, müssen wir gewaltfreie Alternativen aufzeigen, wie wir Druck auf Moskau machen können, die Angriffe auf die Ukraine endlich zu beenden. Stattdessen quatschen Friedensbewegte Putin-Propaganda nach und biedern sich bei rechten Schwurbeln an. Das müsse aufhören, finden Jan Hansen und die Antimilitaristische Aktion: „Lasst uns endliche konsequent antifaschistische und antimilitaritische Politik machen. Und lasst uns beginnen, echte Alternativen zur kriegerischen Auseinandersetzung aufzuzeigen, die Druck auf Russland machen.“ Die Unilever-Adbustings der Antimilitaristischen Aktion Berlin seien ein Beispiel, wie ein gewaltfreies Druckmittel gegen den russischen Angriffskrieg aussehen könne. „Wir hoffen, künftig in der Friedensbewegung mehr von solchen Ideen zu sehen“, sagt Jan Hansen.
Selber Adbustings machen?
Wer selbst mal umgebastelte Werbeposter in die städtischen Vitrinen hängen möchte, findet im Internet alle nötigen Informationen. Wie Werbevitrinen aufgehen, wird hier erklärt:
https://adbustingschluesseldienst.noblogs.org/
https://de.indymedia.org/tutorial/27605
https://bbsc.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/782/2020/03/anleitung.pdf
Wer darüber hinaus Inspirationen sucht und Papier mag, dem sei das Buch „Mega Unerhört“ vom Berlin Busters Social Club empfohlen: