Anfang Oktober fand das Wochenende der jüngeren Verbandsmitglieder in Berlin statt. In der Rückschau zwei wichtige Erkenntnisse: Es gibt für antimilitaristische Themen viele aktive, jüngere Bündnispartner*innen außerhalb der DFG-VK, und die Liste von Aufgaben für die Zukunft des Verbandes ist lang.
Vom 2. bis 4. Oktober fand nach zwei Jahren wieder ein bundesweites Treffen des U35-Netzwerkes statt. In die Organisation waren vor allem unser politischer Geschäftsführer Michi, wir von der amab und die Mitglieder der Military Busters aus Hildesheim eingebunden. Weil wir glauben, dass pazifistische und antimilitaristische Themen sehr wohl junge Menschen interessieren, haben wir das Wochenende diesmal auch explizit außerhalb des Verbandes beworben. Und so trafen wir uns im Jugendgästehaus am Wannsee mit ungefähr 35 Teilnehmenden aus Berlin, Kassel, Köln, Frankfurt (O. + M.), Marburg, Flensburg, dem Wendland, Freiburg, Stuttgart, Dresden, Leipzig und Hildesheim.
Das Wochenende lief unter der methodischen Ausrichtung des Voneinander-lernens. Die angereisten Teilnehmenden organisierten das Programm größtenteils selbst. Der Schwerpunkt lag dabei auf kreativen Interventionen im öffentlichen Raum.
Mit Eugen Januschkes Vortrag über militaristischen, teils steingewordenen Heldenkult, die Kontinuität der zweifelhaften „Traditionspflege“ der Bundeswehr und der Diskussion darüber, wie man mit „gefallenen“ Soldat*innen umgehen könne, steuerte auch der Landesverband Berlin eine Veranstaltung bei. Die aus Hildesheim angereiste Gruppe berichtete von ihren praktischen Erfahrungen mit Re-Kontextualisierung mittels Sprechblasen und Spraydose an Kriegsdenkmälern. In einem Praxisteil waren die Teilnehmenden dann dazu aufgerufen, auf Fotos von unangetasteten Denkmälern selbst kreativ zu werden.
Da Politik bekanntermaßen Geld kostet, fand auch die Runde mit dem Titel „Wie finanziere ich meine politische Arbeit und wie machen das andere?“ regen Zulauf. In rund zwei Stunden wogen die Teilis verschiedene Finanzierungsmodelle ab. Dabei berichtete Kathi Müller beispielsweise von ihren Erfahrungen bei der Finanzierung des UN-Besuchs.
Die geplante Pause am Samstagnachmittag wurde spontan gestrichen und durch eine Reflexionseinheit zu genderspezifischer Diskriminierung ersetzt. Die Teilnehmenden trafen sich in zwei Gruppen: Einerseits die strukturell-konkret eher Diskriminierenden also cis-Männer. Andererseits Teilnehmende mit genderspezifischer Diskriminierungserfahrung aka. Frauen*-Lesben-Trans-Intergeschlechtliche Teilnehmende, auch als FLINT* bezeichnet.
Bei der Runde von männlich gelesenen Teilnehmenden herrschte keineswegs Einhelligkeit. Während sich die Mehrheit selbstkritisch über eigene Fehler öffnete, negierten andere die Existenz geschlechtsspezifischer Zurückweisung und der eigenen Verstrickungen darin. In der FLINT*-Gruppe ergab der Austausch viele Dimensionen von Diskriminierungserfahrungen durch Typen: dominantes Redeverhalten; FLINT*-Personen nix zutrauen; auf Objekte zum Baggern reduziert werden. Jenseits dieser Einheit dominierten übrigens männlich gelesene Teilnehmende die Workshop-Leitungen und die Organisation des Wochenendes. Das alles zeigt, dass das Thema Gender und Militär keineswegs nur nach außen verhandelt gehört, sondern ebenso als Metaebene unseren eigenen politischen Alltag begleiten muss. Denn in die Zukunft des Verbands wies das Gender-Verhältnis am Wochenende: Eine Mehrheit der Teilnehmenden war nicht männlich.
Für Kontroversen sorgte auch die Diskussion darüber, wie die Zukunft des Verbands gestaltet werden solle. Bereits eine Auswahl der Antworten auf die Frage nach Themen, die bisher im friedenspolitischen Kontext zu kurz kämen, liest sich wie eine einzige Mängelanzeige: Rassismus, Flucht und Migration, Klimakrise, Antisemitismus, Diskussionskultur, Datensicherheit. Die Handlungsmöglichkeiten zur Veränderung erinnern streckenweise an die To-do-Liste von Sisyphos höchstpersönlich: Webinare für niedrigschwelligen Zugang, visuelle Kampagnenarbeit diversifizieren, lokale Kooperation zu Inis mit den jeweiligen politischen Schwerpunkten, mehr in englischer und anderen Sprachen anbieten u.a. Es wurde aber auch wertschätzend betont, dass einige Ideen bereits in verschiedenen Kontexten des Verbands angegangen werden und das auch nicht nur von jüngeren Mitgliedern.
Zumindest wir von der amab glauben, dass die U35-Vernetzungstreffen sinnvolle Werkzeuge für die Vernetzung junger Pazifist*innen und Antimilitarist*innen in und mit der DFG-VK sind. Das zeigt auch das Anmeldungsverfahren: Nach nicht mal zwei Wochen waren alle Plätze vergeben. Ohne Pandemie hätte die Veranstaltung leicht doppelt so groß werden können; das umfangreiche Hygienekonzept in Abstimmung mit dem Haus und den Verordnungen begrenzte verständlicherweise die Platzzahl. Wir freuen uns auf eine Neuauflage!
Der Artikel erschien zuerst im Verbandsorgan der DFG-VK ZivilCourage 05/2020.
https://www.dfg-vk.de/ueber-uns/verbandszeitung/2020-05/amab-u35-treffen