Da staunten viele Gamescom-Besucher:innen nicht schlecht, als sie auf dem Weg zur größten Spielemesse der Welt an gefälschten Bundeswehrplakaten vorbei liefen. Statt der üblichen Werbung sind auf den gefälschten Plakaten in Bundeswehr-Optik Sprüche wie „Befehl, Gehorsam, Schikane? – Weiß ich nicht Digga“ zu lesen. Antimilitaristinnen aus dem Jugendnetzwerk der Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegner:innen haben die Adbustings rund um die Messe und in der Kölner Innenstadt platziert. Der Zeitpunkt der Aktion ist kein Zufall: Seit Jahren ist die Bundeswehr auf der Gamescom vertreten. „Mit der Aktion setzen wir ein Zeichen gegen die Vereinnahmung einer beliebten Videopielmesse und die Rekrutierung Minderjähriger“ erklärt Luca Schmidt, Sprecher*in des Jugendnetzwerkes der Friedensgesellschaft: „Zeitenwende, Kriegstüchtigkeit und ausufernde Debatten zur Wiedereinführung der Wehrpflicht? Wir fordern die Abschaffung der Bundeswehr und einen gesellschaftlichen Switch zu gewaltfreier Konfliktlösung und Sozialer Verteidigung.“
Kritik im Bundeswehr-Design
Die Adbustings sehen dank eines selbstgebauten Carmoflage-Polygon-Design den echten Plakaten der Bundeswehr zum Verwechseln ähnlich. Im für die Plakate der Bundeswehr typischen großen Kasten steht allerdings: „Menschen töten wie im Spiel?“ „Weiß ich nicht, Digga…“ antwortet ein quer über das Plakat laufender pinker Balken. Auf weiteren gefälschten Plakaten steht im typischen großen mittigem Kasten die Punchline „Übergriffe und Sexismus im Dienst?“ und „Mit Nazi-Preppern abhängen?“ In der unteren Mitte der Plakate zerstört ein pinkes Dreieck das Eiserne Kreuz. Darunter steht: „Bundeswehr abschaffen“.
Menschen töten wie im Spiel
Die Bundeswehr lässt auf der Gamescom gezielt die Grenzen zwischen Spiel und echtem Militär verschwimmen. Hinter harmlos klingenden IT-Stellen steht jedoch auch digitale Kriegsführung und zum Beispiel das Töten mithilfe von Drohnen aus weiter Entfernung am Computer.
Mit Nazi-Preppern abhängen
Ob Nordkreuz, Franco A., entwendete Waffen, oder rechte Chatverläufe: Die Bundeswehr ist durchsetzt von Menschen mit rechtsradikalem Gedankengut. Luca Schmidt hält fest: „Die Bundeswehr bietet ein optimales Netzwerk für Radikalisierung, Vorbereitung von faschistischen Umsturzfantasien und der Beschaffung von Waffen für Nazis“.
Befehl, Gehorsam, Schikane
Die Bundeswehr ist streng hierarchisch organisiert. Wer nicht gehorcht, wird bestraft. Im Kriegsfall bedeutet, dass auf Menschen zu schießen und die eigenen Moralvorstellungen zu ignorieren. Dazu kann auch das Töten von Zivilist*innen gehören wie in Afghanistan.
Übergriffe und Sexismus im Dienst
Das Diskriminierungsrisko von Frauen in der Bundeswehr ist laut interner Studie drei Mal so hoch wie bei normalen Arbeitgeber:innen. Dem Deutschlandfunk sagte ein Militärdisziplinaranwalt: „Allein in meiner Wehrdisziplinaranwaltschaft habe ich jede Woche einen neuen Fall von sexualisierter Gewalt auf dem Tisch“ (es gibt 24). „Was für ein sexistischer Mackerhaufen, unglaublich, dass die auch noch auf Leute in anderen Ländern los gelassen werden“ ärgert sich Luca Schmidt.
Soziale statt militärische Verteidigung
Wer seine Heimat retten will, sollte einen großen Bogen um militärische Verteidigung machen. Ein Blick in die Ukraine zeigt: Die Städte an der Front sind nach nur zwei Wochen militärischer Verteidigung völlig verwüstet. „Machen wir uns nichts vor: Diese Städte werden mangels Ressorcen und durch die kriegsbedingten demografischen Veränderungen nie wieder aufgebaut werden“ sagt Luca Schmidt traurig. Viel zielführender sei eine soziale Verteidigung. Diese versucht statt militärisch Territorien und Grenzen zu verteidigen, gewaltfrei soziale Netzwerke zu schützen. Wie das geht wird hier auf den Seiten des Bunds für Soziale Verteidigung erklärt.
Was ist Adbusting?
Das Wort Adbusting besteht aus dem englischen Wort „Advertising“ (Werbung) und „to bust“ (kaputtmachen, stören). Aktivist:innen verändern Werbung mit Farbe, Papier und Schere so, dass sich der Sinn der ursprünglichen Botschaft ins Gegenteil verkehrt. Um Werbevitrinen zu öffnen, benötigt man lediglich einen handelsüblichen Steckschlüssel. Es gibt sogar eine interaktive Deutschland-Karte für Adbusting im Internet:
Bundeswehr schutzlos
Die Bundeswehr ist dieser Kritik im öffentlichem Raum trotz eines millionenstarken Werbeetats, Panzer und Raketen bis heute schutzlos ausgeliefert. Obwohl sich schon das Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern mehrmals mit Adbusting beschäftigte, sich die Geheimdienste in mehreren Verfassungsschutzberichten über Adbusting empörten und diverse Landespolizeien mit DNA-Analysen nach den Künstler*innen fahndeten, stellten Gerichte und Staatsanwaltschaften Strafverfahren immer wieder ein. „Es ist keine Straftat, eigene Poster in Werbevitrinen zu platzieren“ freut sich Luca Schmidt und ergänzt: „Wenn man nichts klaut oder kaputt macht…“
Bundesverfassungsgericht schützt Adbusting
Im Dezember 2023 entschied sogar das Bundesverfassungsgericht, das eine Hausdurchsuchung wegen Adbusting illegal war:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/bvg23-121.html
Selber Adbustings machen?
Wer selbst mal umgebastelte Werbeposter in die städtischen Vitrinen hängen möchte, findet im Internet alle nötigen Informationen. Wie Werbevitrinen aufgehen, wird hier erklärt:
https://de.indymedia.org/tutorial/27605
https://bbsc.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/782/2020/03/anleitung.pdf
Wer darüber hinaus Inspirationen sucht und Papier mag, dem sei das Buch
„Mega Unerhört“ vom Berlin Busters Social Club empfohlen:
https://bbsc.blackblogs.org/
Mehr Infos:
Das Jugendnetzwerk der Friedensgesellschaft:
Soziale Verteidigung:
Wie öffnet man Werbevitrinen?
https://bbsc.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/782/2020/03/anleitung.pdf