Die Verwirrung, die über den Begriff „Antisemitismus“ in der Friedensbewegung existiert, führt uns immer wieder vor Augen, dass es an einer Auseinandersetzung mit dem Thema auf wirklich dem grundlegendsten Level mangelt. Aktuell schicken sich Leute auf den Verteilern der Friedensbewegung gegenseitig den Text „Können Palästinenser Antisemiten sein?“ zu. Ein erster Blick auf den Blog des den Text bereitstellenden Verlag zeigt: Der Verlag vertreibt vor allem Bücher, auf deren Cover das Deutsche Reich in den diversen Grenzen der 1930er Jahre abgebildet sind oder irgendwas mit „Hitler“ heißen. Da aber das aber für die ja angeblich so gar nicht rechtsoffene Friedensbewegung nicht genug Warnsignale sind, haben wir uns mit der obigen Frage auch inhaltlich auseinander gesetzt.
Dieser Text bezieht sich auf folgenden Artikel, der die Frage „Können Palästinenser Antisemiten sein?“ als Titel hat. Der Autor ignoriert völlig die Bedeutung des Begriffes „Antisemitismus“. In rassistischen und antisemitischen „Rassentheorien“ wurden Jüd*innen als eine „Rasse“ aufgefasst. Diese „Rasse“ (ich benutze Anführungsstriche, weil es Menschenrassen nicht gibt) wurde in den „Rassentheorien“ als „Semiten“ bezeichnet.
Selbstbezeichnung
Das Wort „Antisemit“ benutzten Antisemitinnen sogar als Selbstbezeichnung. Dass das Wort immer noch benutzt wird, liegt daran, dass es ein Bedürfnis zur begrifflichen Abgrenzung zum „Antijudaismus“ gab. Der Antijudaismus ist eine religiös motivierte Feindschaft gegenüber Jüdinnen und historische Voraussetzung für den modernen Antisemitismus. Im Antisemitismus kommt die Konstruktion einer vermeintlichen „Judenrasse“ mit einer großen Bandbreite an anderen Phänomenen zusammen, die eine nicht rein religiöse Feindschaftlichkeit gegenüber Jüd*innen begründen.
Religiös?
Beispiele dafür sind Verschwörungsgeschwurbel darüber, dass Jüd*innen die Welt kontrollieren würden (das sogenannte „Weltjudentum“), Holocaustleugnung, Dämonisierung von Israel (z.B. durch vergleiche israelischer Politik mit dem Nationalsozialismus) usw. Das sind alles nicht unbedingt religiös motivierte Phänomene.
„Rassentherorie“ ist Rassismus
Der verlinkte Artikel ignoriert das alles und betreibt stattdessen selbst plumpe „Rassentheorie“. Nach der „Rassentheorie“ des Artikels seien Jüdinnen nicht Semitinnen, sondern Chasarinnen. Der Artikel orientiert sich damit an der sogenannten „Chasarentheorie“, nach der die heutigen Aschkenasim Nachfahren der jüdischen Chasarinnen sein sollen. Diese Theorie wurde schon vielfach wissenschaftlich widerlegt.
Trotzdem halten Antizionistinnen weiter an dieser Theorie fest, weil sie meinen, damit gut begründen zu können, warum Jüdinnen keinen Anspruch auf das Staatsgebiet Israels hätten. Also Israel dürfe nicht existieren, weil die dort lebenden Jüd*innen die Falsche „Rasse“ hätten.
Der Artikel ist also ganz schön antisemitisch.