Die Bundesausschuss-Sitzung der DFG-VK am 8.7. und 9.7. war recht zufriedenstellend: Während letztes Mal noch ein*e Delegierte*r vor versammelter Runde völlig unwidersprochen das N-Wort rausposaunen konnte, beschlossen die Delegierten dieses Mal zwei Anträge, die solche rassistischen Ausfälle in Zukunft verhindern sollen. Außerdem beschloss der BA ein solidarisches Protest-Statement dagegen, dass der Berliner Geheimdienst „Verfasusngsschutz“ in seinem aktuellen Bericht über zwei Aktionen der Antimilitaristischen Aktion Berlin (amab) herzieht. Auch darf der Carl-von-Ossietzky-Fond in Zukunft Betroffene von Polizeigewalt besser unterstützen. Und in Zukunft soll es Awareness-Arbeit geben. Ein BA ohne Eklat also! Doch einige forderten, Berichte wie diesen hier zu verbieten.
BA? DFG-VK? Hä? Was?
Der Bundesausschuss (BA) der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen“ (DFG-VK) ist ein Entscheidungsgremium im Verband, das sich aus Delegierten der verschiedenen Landesverbände und bundesweiten Arbeitsgruppen zusammensetzt. Der Landesverband Berlin hat drei Delegierte, die AG Jugend eine*. Der BA ist in der Praxis vermutlich das wichtigste Gremium der DFG-VK auf Bundesebene. Deswegen berichten wir immer fleißig, was auf den BA-Sitzungen so passiert.
Rassistischer Eklat auf dem letzten BA
Viele erinnern sich wahrscheinlich noch an unseren letzten Bundesausschuss-Bericht „Kein BA ohne Eklat“. Für alle anderen fassen wir ihn einmal kurz zusammen: Auf dem ersten BA-Treffen des Jahres setzte ein*e Delegierte*r die Benutzung des N-Worts mit der des Begriffes „Friedensschwurbel“ in unserem Bericht „Friedensschwurbel lohnt sich nicht“ über die Wagenknecht-Schwarzer-Chrupalla-Demo im Februar 2023 gleich. Dabei sprach die Person das N-Wort natürlich auch noch aus. Reaktionen auf diesen rassistischen Ausfall gab es während der Sitzung praktisch keine (auch wir skandalsierten ihn nicht angemessen). Immerhin haben wir dann im Nachhinein den problematischen Ablauf in Form unseres BA-Berichtes veröffentlicht.
BA reagiert auf den N-Wort-Skandal
Seitdem haben sich einige Leute Gedanken gemacht, wie man solche Situationen in Zukunft verhindern und besser auf sie reagieren kann und dafür zwei Anträge eingereicht. Zum einen beantragten Delegierte die Ergänzung der Geschäftsordnung um einen Absatz, der der Tagesleitung explizit erlaubt, der redenden Person das Wort zu entziehen, wenn sie gegen die Satzung verstößt. In der DFG-VK-Satzung steht, der Verein trete dafür ein, „dass niemand rassistisch behandelt wird oder wegen seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität, seines Alters, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner sozialen Lage, seiner Herkunft, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner Behinderung benachteiligt wird“.
Und sie bewegt sich doch!
In unserem Bericht zum letzten BA hatten wir Parallelen zu einem ähnlichen Vorfall vor 15 Jahren gezogen. Damals war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, ohne dass das angemessene Folgen gehabt hätte. Uns freut sehr, dass es diesmal anders gelaufen ist. Die Uhren in der DFG-VK stehen also doch nicht still, sie laufen nur sehr sehr langsam.
Awareness-Arbeitsgruppe
Mit einem weiteren Antrag forderten Delegierte die Einrichtung einer Awareness-Arbeitsgruppe, die sich der Aufgabe widmen möchte, ein Konzept für die Verhinderung und für eine bessere Reaktion auf zukünftige diskriminierende Vorfälle in der DFG-VK zu erstellen. Beide Anträge wurden ohne Gegenrede mit überwältigender Mehrheit angenommen. Es freut uns sehr, dass sich bei dem Thema etwas bewegt. Wir bedanken uns ganz besonders bei den Leuten, die sich für die Arbeit in der Awareness-Arbeitsgruppe bereiterklärt haben.
DFG-VK disst Geheimdienst
Besonders freute uns als Antimilitaristische Aktion Berlin, dass der Bundesausschuss ein solidarisches Statement zur Beobachtung unserer Aktionen durch den Berliner Verfassungsschutz beschloss. Wer nicht im Bilde ist: Letztes Jahr haben wir einige Kreativprotest-Aktionen gegen den russischen Angriffskrieg gemacht. Wenige Tage nach der Vollinvasion waren wir vor der Gazprom-Zentrale symbolisch ne Papp-Pipeline zersägen. Im Oktober haben wir Leichensack-Atrappen vor der russischen Botschaft abgelegt.
Den Berliner Geheimdienst störten die Aktionen gegen den russischen Angriffskrieg offenbar so sehr, dass er beide Aktionen im aktuellen Verfassungsschutzbericht in der Rubrik zu „Linksextremismus“ nannte. Der BA hat nun erfreulicherweise folgendes Statement dazu beschlossen:
„Der Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Die Antimilitaristische Aktion Berlin arbeitet mit ihren Aktionen entschlossen an der Beseitigung von Kriegsursachen. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen kritisiert aufs Schärfste, dass Aktivist*innen aus der Friedensbewegung wieder einmal für ihren friedlichen Einsatz gegen den Krieg vom Geheimdienst beobachtet werden.“
Solidarität mit Betroffenen von Polizeigewalt
Bei einem weiteren Antrag ging es um die Unterstützung einer Person, die wegen Aktionen gegen den Tag der Bundeswehr in Brandenburg von Polizist*innen geprügelt wurde. Die betroffene Person wandte sich danach an den Carl-von-Ossietzky-Solidaritätsfonds der DFG-VK und bat um Unterstützung für eine Anzeige wegen Körperverletzung. Bisher war so etwas in der Satzung des Fonds nicht vorgesehen, doch prompt hat der Bundesausschuss nun eine Satzungsänderung beschlossen, die die finanzielle Unterstützung der Person ermöglicht. Wir wünschen der Person viel Kraft und Erfolg!
Solidarität mit russischen Kriegsdienstverweiger*innen
Der BA beschloss außerdem die Unterzeichnung eines Aufrufs des „Movement of Conscientious Objectors“ aus Russland an die Europäische Kommission und das EU-Parlament, der die EU auffordert, konsequent Asyl für russische Kriegsdienstverweiger*innen anzubieten. Gleich drei solidarische Beschlüsse auf einem BA also!
DFG-VK als Geheimbund?
Alles super also? Fast. In eine unfreiwillig komische Situation manöwrierten sich die üblichen Verdächtigen aus der alten Garde. Einige Delegierte ärgerten sich mal wieder über unsere Berichterstattung über Vereinsereignisse auf unserem Blog. Insbesondere unser Text über den N-Wort-Eklat beim letzten BA und der jüngere Text „Deine Bedürfnisse sind mir scheißegal“, der völlig unmögliches Verhalten von ein bis zwei deutschen Friedensfreunden auf einer Konferenz in London beschreibt, sorgten für Missmut. Ihr Vorschlag: Die Geschäftsordnung des Bundesausschussess dahingehend ändern, dass alles geheim wird.
Hilflos und unsouverän
Angesichts dieser Forderung fasst man sich ja an den Kopf: Statt toxische Männlichkeit, Sexismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen als Problem in einem pazifistischem Verband zu begreifen, wollen wir in der DFG-VK in Zukunft lieber Kritik unterdrücken und aus der DFG-VK einen Geheimbund machen, über den wir nicht mehr berichten dürfen? Sieht so Pazifismus im 21. Jahrhundert aus? Was für ein unsouveräner Ausdruck von Hilflosigkeit!
Illegal…
Der Vorschlag ist jedoch nicht nur inhaltlich schwer bedenklich, er ist auch schlicht illegal. Vereine haben laut geltender Gesetzeslage demokratisch zu sein. Die Mindestanforderung dafür ist, dass der Verein sich an die übergeordneten demokratischen Prinzipien hält, die sich aus der Rechtsordnung der Bundesrepublik ergeben. In den Augen der Rechtssprechung ist essentieller Bestandteil dieser demokratischen Ordnung, dass Mitglieder sich untereinander und in den ihnen zur Verfügung stehenden Medien über Ereignisse und Erlebnisse im Verein austauschen können. Zu dieser Vorgabe dürfte ein Verbot, über Geschehnisse in der DFG-VK zu berichten, schwer passen.
…Scheißegal!
Eine Geheimhaltungsklausel in der BA-Geschäftsordnung, die über das hinausgeht, was sich aus den übergeordneten Gesetzen ohnehin ergibt (z. B. keine Adressen von Mitgliedern oder private Informationen aus dem Personalwesen leaken) hätte rechtlich keinen Bestand. Man müsste sich nicht daran halten und würde eine bei Exekutivmaßnahmen drohende juristische Auseinandersetzung ausnahmslos gewinnen. Wir überlegen deshalb, ob wir in Zukunft nicht live auf Twitter berichten.
(Anmerkung zur juristischen Quellenlage: Wir hatten keine Lust, in die Jura-Bib zu gehen und Kommentare zu wälzen. Außerdem ist das nicht unser Job, Leuten, die einen peinlichen Antrag schreiben wollen, so die Arbeit abzunehmen. Könnt ihr schön selber machen…)
Gute Politik statt Geheimniskrämerei!
Außerdem sieht man in unseren Augen jetzt deutlich, dass unser Text zum N-Wort ein hilfreicher Anstoß für weitere Auseinandersetzungen war, die man auf dem aktuellen BA beobachten konnte. Auch bei den Themen Antisemitismus, Coronawahn, Verschwörungsgeraune zum Russland-Krieg etc. geht, seitdem wir deshalb regelmäßig rumnöhlen, deutlich weniger problematisches Zeug über die E-Mail-Verteiler. Wir hoffen, dass die einen Geheimbund fordernden Delegierten bis zum nächsten BA zur Besinnung kommen. Denn es gibt doch ein viel besseres Mittel gegen Negativberichte: Gute Politik machen!